Fest der Feste ist Ostern schon deshalb, weil es das älteste Fest ist: es reicht bis tief hinein ins Alte Testament. Das jüdische Osterfest (Pascha) erhielt das Andenken an das erbarmungsvolle «Vorübergehen» (das bedeutet Pascha, die aramäische Nebenform des hebräischen Pesach) des Würgeengels an den mit dem Blute des Osterlammes bezeichneten Häusern der Israeliten und damit überhaupt das Andenken an die sich daran anschließende wunderbare Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft. Die Juden feierten dieses Fest acht Tage hindurch.
Im christlichen Osterfest lebt das altjüdische weiter fort, aber mit neuem Geiste erfüllt. Was dort in unvollkommenem Schatten vorbedeutet war, kam in Christi Leiden und Auferstehen zu vollkommener Erfüllung: Christus ist das wahre Osterlamm, wie der hl. Paulus in der heutigen Lesung sagt; er hat uns befreit vom Joche der Sünde und des alttestamentlichen Gesetzes. Weil im christlichen Osterfeste das alte, unvollkommene Erbe weiterlebt, spielt die Osterliturgie gern auf jene Vorbilder an, z.B. auf das Paschamahl, auf den Auszug aus Ägypten und den Untergang der Bedränger im Roten Meere.
Seit die wahre Sonne aus der Nacht des Grabes emporgestiegen war, konnten sich die Christen nicht mehr mit dem Schatten des alttestamentlichen Osterfestes begnügen. So löste sich, wohl schon in apostolischer Zeit, das christliche Osterfest los von seinem jüdischen Vorbild: während die Juden ihr Ostern am 14. Nisan, am ersten Vollmond nach der Tag- und Nachtgleiche des Frühlings, hielten, feierten die Christen das Osterfest am Sonntag danach, an dem Tag, an dem der Heiland auferstand.
Die Liturgie dieser Tage ist ganz durchwoben von sinnreichen Beziehungen auf die Taufe, die uns die Auferstehung des Heilandes geistig miterleben ließ. In der Osternacht haben früher viele Erwachsene dieses Auferstehungsglück erfahren dürfen; in ihren blendend weißen Taufgewändern wohnten sie während der ganzen Woche dem feierlichen Gottesdienste bei und strahlten ihr morgenfrisches Osterglück in die Herzen aller Gläubigen. Manche Texte der Osterliturgie sind in erster Linie auf die Neugetauften zu beziehen.
Danken wir daher in dieser Zeit für die hl. Taufe, widersagen wir aufs neue dem Satan und der Welt mit ihrem Geiste! «Christus stirbt nicht mehr, der Tod hat keine Gewalt mehr über ihn», sagt der Apostel (Röm. 6, 9) vom auferstandenen Heiland. Auch der getaufte, mit Christus von der Sünde auferstandene Christ soll nicht mehr durch die Sünde sterben, sondern sich im Leben der Gnade erhalten, ein neues Leben führen.
Am Osterfeste werden vielfach Speisen geweiht, wie Eier, Fleisch, auch Brot – ein Brauch, der wohl dem Umstand sein Entstehen verdankt, daß nach strenger kirchlicher Fastenübung Fleisch und Eier während der ganzen heiligen Fastenzeit nicht genossen werden durften, und daß man nach der langen Zeit der Entbehrung jene Speisen gleichsam aus der Hand der Kirche, durch deren Segen geheiligt, wieder empfangen wollte. – Das Ei ist zugleich ein uraltes Sinnbild der Auferstehung. Die Schale bedeutet das Grab; aus ihr geht ein lebendiges Wesen hervor. Die mancherorts üblichen Osterfeuer erinnern daran, daß Jesus Christus, das himmlische Licht und Feuer, das am Karfreitag erloschen schien, nur um so heller am Ostermorgen aufleuchtete. – Der Name Ostern kommt nach dem hl. Beda († 735) wahrscheinlich von einer altdeutschen Gottheit: Ostara, Eastra, der Gottheit des strahlenden Morgenrotes, des aufsteigenden Lichtes.