INTROIBO Abteikirche AD ALTARE DEI
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Von der Gebärdensprache in der römischen Meßfeier

  1. Nebst der lateinischen, vielen fremden und «toten» Wortsprache verwendet die Liturgie eine lebendige, allgemeinverständliche Gebärdensprache. Sie macht die Meßfeier zu einer «augenscheinlichen» und anschaulichen heiligen Handlung, die darum auch die schlichtesten Bildungsstufen gläubiger Teilnehmer zum seelischen Mitbegehen anregen und gewinnen kann. Täglich kündet die gottesdienstliche Gebärdensprache dem Reifsten ständig Tiefen des «Geheimnisses». Gebärdensprache ist dem geist- und sinnenbegabten Menschen naturnotwendig, auch in der Gottesverehrung, und da namentlich im Gemeinschaftsgottesdienst. Gebärde wirkt eben oft noch bindender und verbindender als das Wort. Vielfach sind Gebärde und Wort miteinander geeint zu einem Vollausdruck und Vollsinn. Naturgemäß findet sich Gebärdensprache allgemein in den Menschheitsreligionen; in großartiger Entfaltung besonders im alttestamentlichen Gottesdienst, der in manchem spendend und vorbildend auf die Ausgestaltung des neutestamentlichen einwirkte (Andeutungen und Beispiele in alttestamentlichen Stücken des Meßbuches). Gleich der römisch-liturgischen Wortsprache ist auch die Gebärdensprache edel und streng geregelt, sinn- und weihevoll, klar und folgerichtig, ernst, ruhig und gemessen, dabei aber von wechselnder Mannigfaltigkeit und Abstufung. Wie in der gottesdienstlichen Tracht wirkt auch hier alter reiner Formensinn nach und vermittelt und erhöht ihn wiederum. Durch die heiligen Gebärden erlangt der christliche Leib so recht Stellung, Weihe und erbauenden Einfluß im Gottesdienst. Auch hier gilt: «Verherrlicht Gott in euerm Leibe» (1 Kor. 6, 20).

    Im 5. Kap. (n. 7) seiner Schrift «Von der Totenpflege» sagt der hl. Augustinus († 430): «…Die Betenden stellen auf sinnfällige Weise dar, was sie übersinnlich empfinden… Und wunderbar! Jene äußeren sichtbaren Bewegungen des Leibes, wie sie nicht ohne vorhergehende Gemütsbewegung geschehen, steigern so hinwiederum diese innere unsichtbare Bewegung, woraus sie hervorgingen.»

  2. Stehen ist die Grundhaltung des opfernden Priesters bei der Meßfeier, wo er betend und opfernd im Namen Christi des Mittlers waltet, der am hl. Kreuze aufrecht betend und sich blutig opfernd dem Vater darbrachte. Beim Kreuze «stand» Maria, die Mutter. Im Altertum standen auch im Abendland die Teilnehmer am Hochamt (z.T. im Kanon tief verbeugt). Stehen aller – als Gebärde der Ehrfurcht (Aufstehen) und des ehrfürchtigen Horchens – stets bei den Evangelienlesungen (Wort Christi) der hl. Messe.

    Verneigen. Am Altare vollzieht der Priester im Geiste heiliger Huldigung und Verehrung zahlreiche Verneigungen in dreifacher Abstufung: einfache Kopfneigung, Schulterverneigung, Verneigung des Oberleibes (= tiefe Verneigung), je nach Grund und Ziel dieser Ehrenbezeigungen.

    Weitergehenden anbetenden Sinn haben die meisten Kniebeugungen des Priesters in der Messe: so von der hl. Wandlung ab vor den heiligen Opfergestalten, beim letzten Evangelium und im Glaubensbekenntnis bei Nennung des herablassenden und erhebenden hl. Menschwerdung des Gottessohnes. Bittenden Bußgeist äußert in der Fastenzeit die Kniebeugung beim Tractus der Fastenmessen am Montag, Mittwoch und Freitag. Das Volk hört gemäß späterer liturgischer Regel die hl. Messe kniend (ausgenommen die Evangelien).

    Auf dem Boden Liegen ist noch Brauch der Empfänger der höheren Weihen in der Weihemesse bei der Allerheiligenlitanei, im Sinne demütigster Bitte und Schutzbefehlung; am Karfreitag unter tiefstem Schweigen vor dem entblößten Hochaltar zu Beginn der Todesfeier des Herrn; wohl sprechendstes Wort der stummen Gebärdensprache.

    Würdevolles Sitzen ist die Haltung des ruhigen besinnlichen Hörens und Erwägens der Predigt und bei einigen Meßgesängen.

    Wendung. In der hl. Messe wendet sich der Priester von der Seite her öfters zum beherrschenden Altarkreuz hin; im levitierten Hochamt zum ähnlich gewürdigten Evangelienbuch bei der Evangelienabsingung. Mehrmals kehrt sich der Priester unter liebender Handentfaltung eigens dem mitfeiernden Volke zu: grüßend, bittend, segnend.

    Augen. Seinen Blick hält der Priester auf Buch und Altar gesenkt, nach der hl. Wandlung mehrmals eigens auf die Hostie. Öfters richtet sich das Auge empor zum Altarkreuz; zum Himmel (namentlich vor dem Schlußsegen wie vor der Brotverwandlung in Anlehnung an das Beispiel Christi): zu den seit dem Mittelalter bei der Wandlung feierlich hocherhobenen heiligen Gestalten. Wie die Ostung des Kirchenbaues liebt die Liturgie die Ostung des Blickes: d.h. nach der Himmelsrichtung des verlorenen und ersehnten Paradieses, des Sonnenaufganges (Sinnbild Christi), der Auffahrt und erwarteten Wiederkunft des Herrn.

    Handgebärden: Anlegen der gefalteten Hände an den Altar (sinnbildliche Einigung mit Christus), Auflegen der Hände auf Altar und Meßbuch, ferner über die Opfergaben kurz vor ihrer Verwandlung. Erwartende Erhebung und Ausbreitung der Hände und Arme nach altchristlichem Brauch, besonders bei den alten römischen Hauptgebeten und namentlich während des Kanonhochgebetes. Inniges Falten der aufwärts gerichteten Hände (beliebte altgermanische Gebärde) mit Daumenkreuzung als Ausdruck der Gotthörigkeit; gemäß der Antwort des hl. Papstes Nikolaus I. (858 – 867) an die Bulgaren umschließt die Händefaltung als eine Art reuiger Selbstfesselung die Bitte um Bewahrung vor ewiger Höllenfesselung (c. 54). Verwendung der rechten Hand zum schuldbekennenden und sühnenden Klopfen an die Brust und bei den vielfältigen Bekreuzungen und Segnungen im hl. Opfer. Mit der Rechten auch die hl. Beräucherungen im Hochamt. Aus der einzigartigen Stellung der Hand in der heiligsten Handlung erhellt so recht die sinnbildliche Handwaschung bei der Opferung. Dem Volk zugewandtes Öffnen und Schließen der Hände deutet auf fürbittendes Grüßen und Zusammenschluß im hl. Opferdienst der Gottesfamilie.

    Der gottesdienstliche Kuß ist Ausdruck und Sinnbild heiliger Verehrung und Liebe. Den Altar als Opferstätte, Gottestisch, Heiligengrab, Sinnbild Christi küßt der Priester (bereits seit dem 13. Jahrh.) im gewöhnlichen Hochamt neunmal. Im levitierten Hochamt Friedenskuß an den Diakon zum Weiterspenden, früher auch an und durch das Volk, worauf noch Kaiser Karl V. (1519 – 1556) fromm und weise drang. Der Priester küßt im Meß- oder Evangelienbuch das «Wort Christi» des betreffenden Tages; vor der Hostienbrechung und dem Pax-Ritus auch die Patene; früher mitunter die hl. Hostie selber in beseligendem Frieden mit und aus Christus.

  3. Die vertrauteste und häufigste Gebärde in der hl. Messe ist das Kreuzzeichen, was so ganz und innerlichst mit ihrem Wesen und Ziel übereinstimmt. «Sooft ihr dieses Brot eßt und diesen Kelch trinkt, sollt ihr den Tod des Herrn verkünden, bis er kommt», mahnt der hl. Paulus (1 Kor. 11, 26). Und dies ist ja der belebende Kreuzestod, der unblutig und unsichtbar in der eucharistischen «Geheimnisfeier des Todes unseres Herrn» stets Gegenwart wird. Dabei ist das Kreuz auf Hostie und Altar und Gewändern erinnerndes Opferzeichen Christi, das mit der Hand gebildete überdies meist auch segnendes. Es zeigt in der hl. Messe gerade bei der Selbstbekreuzung eine doppelte Gestalt: die sog. «große», mittelalterlich-«lateinische», und die altchristliche «kleine», die um 200 laut Tertullians «Vom Soldatenkranz» (Kap. III) im christlichen Privatleben schon tagaus, tagein üblich war. Die gewöhnliche aufrechte Gebetsstellung mit ausgebreiteten Händen war eine Kreuzesstellung und –erinnerung. Der hl. Maximus von Turin († ca. 465) belehrte in seiner 50. Homilie das Volk: «Wenn der Mensch seine Arme erhebt, formt er ein Kreuz; und darum haben wir die Vorschrift, mit erhobenen Händen zu beten, damit wir auch durch Gebärden unserer Glieder das Todesleiden unseres Herrn bekennen; wir werden nämlich alsdann leichter erhört, wenn der Leib Christum nachbildet, von dem unser Geist kündet.»

    Diese Kreuzesstellung verläßt der Priester in der Messe oft nur, um das Kreuzzeichen mit der Rechten zu bilden. Es begegnet schon in der stillen Messe dem aufmerksamen Auge über vierzigmal; so gleich zum Beginn; am Schluß beim Segen über das Volk, anschließend Bekreuzung des Altares oder des letzten Evangeliums mit letzter Selbstkreuzung. In der beidesmaligen Bekreuzung des Evangelientextes verknüpft sich augenfällig das Kreuzzeichen mit dem Evangelium als «dem Wort vom Kreuze» (Kor.. 1, 18). Unter den 11 (bzw. 13) Selbstbekreuzungen vollzieht der Priester eine mit der Patene vor der Hostienbrechung, und bei der hl. Kommunion je eine mit den beiden hll. Gestalten unmittelbar vor deren Genuß. Gleicherweise segnet der Priester mit der kleinen hl. Hostie jeden Empfänger. Mit der hl. Eucharistie «werden wir vom Kreuze her genährt» (hl. Augustinus, Psalmenerklärung zu Ps. 100,9). Bei der Opferung wird mit den erhobenen, dann gesenkten Opferelementen je ein Kreuz gezogen. Im Kanon vor der hl. Wandlung zwölf Kreuze über die Opfergaben, nach der hl. Wandlung zehn, die so recht sinnfällig und nachdrücklich auf das gegenwärtig gewordene Kreuzopfer hindeuten. Sechsmal formt der Priester das Opferzeichen des Kreuzes mit dem Opferleib des Herrn selbst: dreimal mit einem Hostienteil beim Friedenswunsch vor der Mischung der hll. Gestalten und mit der ungeteilten Hostie fünfmal am Kanonschluß vor der «kleinen» Erhebung der beiden Opfergestalten unter erhabenem Gotteslob. So erscheint das eucharistische Kreuzopfer in allen seinen Teilen von Kreuzgebärden durchwirkt und umkleidet.


Abtei Mariawald